Aussichtsturm auf dem Kaltenberg
Die Geschichte des Aussichtsturmes auf dem Kaltenberg ist trist. Doch
dieser Gipfel ist Zeuge der Zeiten, als hunderte von Besuchern
hierher täglich kamen. Noch vorher haben aber auf die Gegend die
Landmesser mit ihren Instrumenten herabgeblickt,
die hier einen der Stützpunkte des ländlichen
Triangulierungsnetzwerkes aufbauten. Das Zeugnis davon war ein Stein
mit einer gemeißelten Überschrift „Monumentum astronomico-geometricum“,
der hier eine lange Zeit gesetzt war. Im neunzehnten Jahrhundert gehörte
der Kaltenberg in die umfangreiche Herrschaft der Familie Kinský,
die die Pflege über ihren Besitzstand besonders beachtete. Der
Inhaber des Eigentums Fürst Ferdinand Kinský hielt den Gipfel für
so wichtig, dass er ihn unter dem Namen Ferdinandstein in die Karten
eintragen ließ. Im Jahre 1854 ließ hier Fürst Ferdinand Kinský
einen Aussichtsturm aus Holz aufbauen. Mit höchster
Wahrscheinlichkeit handelte es sich um die älteste, bewiesene
Konstruktion dieser Art in dieser Ecke von Böhmen. Nach tradierenden
Berichten war es nach Kleť in Südböhmen der älteste Aussichtsturm
in Böhmen. Aber nach anderen bewiesenen Berichten gab es auf dem Böhmischen
Territorium schon früher einige ähnliche Konstruktionen.
Nach elf Jahren des
Verkehrs musste aber die Verwaltung der Herrschaft die Konstruktion
wegen ihres schlechten Zustandes niederreißen lassen. Der
Chronikschreiber Ernst Vatera aus Rennersdorf schrieb darüber: „In
diesem Jahre wurde der Gipfel des Kaltenberges bewaldet und die schöne
Aussicht verschwand“. Der Gipfel wurde wieder lebhaft durch den
Hall der Ausflügler schon im Sommer 1888. Diesmal geschah es dank
dem Tetschenauer Gebirgsverein für die Böhmische Schweiz. Der
Verein gehörte zu den ältesten auf dem Gebiet von Böhmen und Mähren,
wenn er nicht der überhaupt älteste war. Er entstand am 25. 3. 1878
in Tetschen. Seit 1884 hatte der Verein eine Sektion in Hasel, seit
1890 in B. Kamnitz seit 1909 auch in Kaltenbach. Der Gebirgsverein
hat den Kaltenberg als einen Platz für den Aufbau von seinem ersten
Aussichtsturm gewählt. Es ist gediehen die Zustimmung des Inhabers
des Grundstückes und auch die finanzielle Unterstützung von
Tetschenauer und B. Kamnitzer Sparkassen in den Gemeinden B. Kamnitz,
Kreibitz und Hasel zu gewinnen. Der Mäzen war auch der bedeutende Bürgermeister
von B. Kamnitz, Unternehmer im Textile, Fabrikant Herr Franz Preidel
(1810 – 1889) und weitere. Herr Franz Preidel war vom Anfang seiner
erfolgreichen unternehmerischen Kariere durch sein starkes Sozialgefühl
als auch Mäzen bekannt. In B. Kamnitz ließ er 1871 auf eigene
Kosten ein Armenhaus im Preis von 30 000 Fl. aufbauen, seinem
Heimatdorf Hasel widmete er das Schulgebäude im Wert von 10 000
Fl., weitere Gebäude im Preis von 7 000 Fl., ließ er in
seinem Großgut in Líšnice im Duxbezirk aufbauen. Mehr als 60 000
fl. widmete Preidel für die Rekonstruktion von Wallfahrtmariakapelle
in B. Kamnitz, deren feierliche Neueinweihung am 29. Juni 1885
durchlief. Dieses großartige Geschenk wurde sogar von dem Papst Leo
XIII geschätzt. Der Papst verlieh Herrn Preidel den Orden des
Gregors des Großen. Aus Preidels Kasse wurden auch regelmäßig
nicht unbedeutende Geldbeträge für manche hiesige Vereine,
charitative Organisationen und Stiftungen überwiesen. Preidels
unternehmerische Erfolge und Verdienste waren bewertet durch die
Ehrenbürgerschaft der Stadt Böhmisch Kamnitz im Jahre 1872, im Juni
1876 durch Erteilung des Franz Josef Ritterordens und im Juli 1887
sogar durch die Erhebung in den Adelsstand als Edler von Hassenbrunn.
Aus dieser Ehre freute sich aber Herr Preidel nicht mehr lange. Er
starb am 28. August 1889 in seinem Schloss in Čížkovice. Sein
Nachlasswert war zu 15 Millionen fl. geschätzt. Als Universalerbe
wurde sein Neffe Herr Emanuel Karsch, der an der Führung von
Preidels Unternehmens schon zu Preidels Lebzeit teilnahm.
Der Aufbau des Aussichtsturmes auf dem Kaltenberg begann schon zwei
Jahre vor dem Aufbau des Eiffelturms. Der Bauträger Gustav Dittrich
wollte nicht eine übliche Konstruktion des Holzaussichtsturmes
bauen, aber nach dem zeitgenössischen Trend wandte er die
Eisenkonstruktion an. Die Bevölkerung aus der weiten Umgebung hielt
es für ihre Ehre am Transport von Materialen für die Konstruktion
des Aussichtsturmes auf den Kaltenbergsscheitel teilzunehmen. Der
Aufbau dauerte wenige Monate. Auf den Scheitel des Kaltenberges
mussten im Frühling 1888 insgesamt 9 Tonnen Eisen transportiert
werden. Während des Aufbaus wurde kein Detail einem Zufall überlassen,
denn der Aussichtsturm sollte lange Zeit überwinden. Die
Eisenkonstruktion wurde aus subtilen zusammengenieteten Walzprofilen
erzeugt. So entstand ein 16,2 m hoher Aussichtsturm durch dessen
Mitte Eisengussspiraltreppen durchgehen, die dann durch eine
Aussichtsplatte abgeschlossen sind. Die Ankerung wurde durch 8 mächtige
mehr als ein Meter lange und fast 4 cm dicke Bolzen gemacht. Auf die
Aussichtsplatte für maximal 25 Besucher führen Treppen mit 92
Stufen mit einigen Podesten. Für all das verbuchte der Lieferant,
d.h. Pražská strojírenská akciová společnost Ruston &
syn
(Prager maschinenbauliche Aktiengesellschaft Ruston & Sohn) ungefähr
3000 fl. Nach den unglaublichen 3 Monaten vom Anfang des Aufbaues
verwirklichte man am 15. Juli 1888 eine feierliche
Einweihungszeremonie des Aussichtsturmes.